Urban IV.
Bulle “Transiturus” zur Einführung des Fronleichnamsfestes
Papst Urban IV. – 11. August 1264
Urban, Bischof, Knecht der Knechte Gottes, an Unsere ehrwürdigen Brüder, die Patriarchen, Erzbischöfe und andere Prälaten der Kirche.
Als unser Herr und Heiland Jesus Christus ehe er die Welt verlassen und zu seinem Vater zurückkehren wollte, am Abende vor seinem leiden mit seinen Jüngern das Abendmahl genossen hatte, setzte er das allerheiligste, kostbarste Sakrament seines Leibes und Blutes ein, in welchem er uns seinen Leib zur Speise, und sein Blut zum Trank gab. Denn sooft wir von diesem Brot essen und von diesem Kelch trinken, verkündigen wir den Tod des Herrn. Bei der Einsetzung dieses Geheimnisses sagte er zu seinen Jünger: “Tut dies zu meinem Gedächtnis,” indem er ihnen zu erkennen geben wollte, dass das große und verehrungswürdige Sakrament, das er eben eingesetzt hat, das vorzüglichste und bedeutendste Andenken seiner unendlichen Liebe gegen uns sei, ein bewunderungswürdiges, angenehmes, liebliches, süßes und über alles kostbare Andenken, in dem alle Gnadenbezeigungen erneuert, alle Wunder übertroffen sind, in dem man alle Ergötzung, alles Liebliche und das sicherste Pfand des ewigen Lebens finden kann.
Es ist das süßeste, heiligste und heilsamste Andenken, das uns die glücklichsten Augenblicke unserer Erlösung zurückruft, das uns vom Bösen zurückhält und im Guten stärkt, das in uns das Wachstum der Tugend und des Heiles fördert und das uns endlich auf den Pfaden des Himmels leitet und darauf erhält. Die anderen Geheimnisse, welche die Kirche verehrt, beten wir im Geist und in der Wahrheit an, aber bei keinem erfreuen wir uns der Gegenwart des Herrn; nur im Andenken des heiligen Abendmahls ist Jesus Christus wahrhaftig gegenwärtig und wahrhaft mit uns; denn als er zum Himmel emporstieg, sagte er zu seinen Aposteln und Schülern: “Seht, ich bin bei euch bis an das Ende der Welt,” um sie so über seine Abwesenheit zu trösten und ihnen zu versichern, dass er stets auch körperlich in ihrer Mitte weile.
O würdiges und ewig verehrungswürdiges Andenken, das uns erinnert, dass der Tod seinen Stachel verloren, und dass wir vom Untergang gerettet sind, seitdem der an dem Kreuzesstamm geheftete, belebende Leib des Herrn uns das Leben wiedergegeben hat. Es ist ein ruhmwürdiges Andenken, welches die Gläubigen mit heilsamer Freude erfüllt, und in ihrer Freudenergießung sie Tränen des Dankes weinen macht. Wir triumphieren bei dem Andenken unserer Erlösung, und uns hiebei an den Tod Jesu, – welcher uns erkauft hat, – erinnernd, können wir uns der Tränen nicht enthalten.
Bei diesem Andenken, welches uns Freude bereitet und Tränen entlockt, freuen wir uns weinend und weinen frohlockend, weil unser Herz im Andenken an eine so großen Wohltat in Wonne schwimmt, und wir in der gerechtesten Dankbarkeit, die wir demselben schulden, unsere Tränen nicht zurückhalten können.
O unermessliche, göttliche Liebe! O übergroßes Mitleid unseres Gottes, o staunenswertes Wunder seiner Freigebigkeit! Nicht genug, dass er uns zu Herren der Erdengüter gemacht, hat er auch alle Geschöpfe unserer Herrschaft unterworfen. Auch damit hat sich seine Barmherzigkeit noch nicht beschränkt, sondern er hat den Menschen noch zu der Würde erhoben, dass er ihnen Engel zum Schutz gegeben, himmlische Geister zu seinem Dienst bestellt hat, um die Auserwählten zum Besitz des Erbes zu führen, welches ihnen im Himmel bereitet ist. Nach so vielen glänzenden Zeugnissen seiner Herrlichkeit, hat er uns noch mehr Proben seiner unaussprechlichen Barmherzigkeit erzeigt und sich selbst dahingegeben. Alle Fülle der Gnaden und alles Maß der Liebe überschreitend, bietet er sich selbst zur Speise und zum Tranke dar!
O erhabene und wunderbare Freigebigkeit, in der der Geber die Gabe ist, und dieser derjenige selber ist, welcher sie gibt. O Freigebigkeit ohne Gleichen, wenn jemand sich selbst dahingibt. Unser Gott hat sich also uns zur Speise gegeben, weil der zum Tod verdammte Mensch nur durch dieses Mittel wieder zum Leben gelangen konnte. Von der verbotenen Frucht genießend, war er dem Tode verfallen, und durch den Genuss vom Baume des Lebens wurde er wiedererkauft. In jener war die Angel des Todes, in diesem die Speise des Lebens. Indem er jene aß, wurde er verwundet, und der Genuss dieser machte ihn gesund; der Genuss hat verwundet, der Genuss hat geheilt. die Heilung ist aus demselben hervorgegangen, welches die Wunde verursachte, und was uns den Tod brachte, hat uns das Leben zurückgegeben. Denn von jenem ist gesagt: “An dem Tage, da ihr davon esset, werdet ihr des Todes sterben,” und von diesem: “Wer von diesem Brot isst, der wird ewig leben.”
O wesentliche Speise, die nicht den Körper, sondern das Herz, nicht das Fleisch sondern die Seele vollkommen sättigt und wahrhaft nährt. Unser mitleidiger Erlöser, der wusste, dass dem Menschen eine geistliche Nahrung fehle, hat durch diese mitleidige und barmherzige Anordnung ihm die edelste und kräftigste Seelenspeise, welche es auf der Welt geben kann, bereitet. Auch war es die geeignetste Freigebigkeit und ein der Barmherzigkeit angemessenes Werk, dass das ewige Wort Gottes, welches die wahre Speise und wahre Mahlzeit der vernünftigen Kreatur ist, nachdem es Fleisch geworden, sich auch dem Fleische und Körper, das heißt dem Menschen zur Nahrung gab. Der Mensch hat Engelbrot gegessen, und deswegen sagt unser Herr: “Mein Fleisch ist die wahre Speise.” Dieses göttliche Brot wird gegessen, aber es verändert sich nicht, weil es in demjenigen, der es genießt, keine andere Gestalt annimmt. Wenn man es würdig empfängt, wandelt derjenige, der es auf diese Art genießt, sich in ihm.
O vortreffliches, anbetungswürdiges und ehrwürdiges Sakrament, das man nicht genug verehren und verherrlichen, nicht genug rühmen, dessen Verdienste man nicht genug erheben kann. O Sakrament, das würdig ist, aus Herzensgrund verehrt, aus dem innigsten Gefühl geliebt, und würdig ist, mit unauslöschlichen Zügen unserem Gedächtnis aufs Tiefste eingegraben zu werden. O alleredelstes Andenken, das man allerorten rühmen und verkünden muss, an das sich alle Christen mit dem Gefühl der größten Dankbarkeit erinnern sollen, welches man nicht genugsam betrachten, nicht würdig genug verehren kann.
Wir sind daher verpflichtet, uns ein immerwährendes Andenken an dieses hochheilige Sakrament zu bewahren, damit wir denjenigen beständig vor Augen haben, der uns diese unschätzbare Wohltat anbietet; denn je mehr man die Gaben betrachtet, desto mehr schätzt man denjenigen, der sie gegeben hat. Aber obgleich sein Andenken täglich im heiligen Messopfer begangen wird, halten wir es doch, um die Untreue und den Wahnsinn der Ketzer zu beschämen, für gerecht, wenigstens einmal im Jahr ein besonderes glänzendes Fest zu diesem Zweck zu feiern. An dem Tag an dem Jesus Christus dieses Sakrament ensetzte, ist die Kirche mit der Aussöhnung der Sünder, mit der Konsekration des heiligen Chrisams, der Fußwaschung und anderen Geheimnissen beschäftigt, so dass für die würdige Verehrung des erhabensten Sakramentes die erforderliche Zeit nicht vorhanden ist, weshalb es notwendig sein wird, hiefür einen anderen Tag zu bestimmen. Endlich ist es auch hinsichtlich der Heiligen kirchlicher Gebrauch, dass obgleich sie täglich in Gebeten, Litaneien, in der heiligen Messe und bei anderen Gelegenheiten verehrt werden, ihnen doch noch besondere Festtage gewidmet sind.
Da aber an diesen Tagen die ihnen gebührende Verehrung bisweilen wegen häuslicher Geschäfte oder auch aus menschlicher Schwäche unterlassen wird, so hat unsere Mutter, die heilige Kirche, einen gewissen Tag zum allgemeinen Gedächtnis aller Heiligen bestimmt, damit bei dieser Feier die allenfalls vorgekommenen Unterlassungen wieder gut gemacht werden. Wenn nun dieses schon in der Kirche eingeführt ist, um wie viel mehr sind wir nicht hiezu gegen das belebende Sakrament des Leibes und Blutes Jesu Christi, das die Glorie und die Krone aller Heiligen ist, verbunden? Man wird dabei den Vorteil genießen, durch frommen Eifer hierin das zu ergänzen und gut zu machen, was bei den übrigen Messopfern unterlassen wurde. Die Gläubigen werden beim Herannahen dieses Festes sich ihrer begangenen Fehler erinnern und an demselben in Demut und vom Ganzen Herzen Gott für die Unehrerbietigkeit oder Nachlässigkeit, mit welcher sie dem Heiligsten Messopfer beiwohnten, um Vergebung bitten.
Wirklich haben wir ehemals, als wir noch mit einer geringeren Würde bekleidet waren, vernommen, dass es einigen Katholiken göttlicher Weise geoffenbart worden, dass das Fronleichnamsfest allgemein in der ganzen Kirche gefeiert werden sollte.
Wir haben es daher, um den wahren Glauben zu stärken und zu erhöhen, für recht und billig gehalten, zu verordnen, dass außer dem täglichen Andenken, das die Kirche diesem heiligen Sakrament bezeigt, alle Jahre auf einen gewissen Tag noch ein besonderes Fest, nämlich auf den fünften Wochentag nach der Pfingstoktav, gefeiert werde, an welchem Tag das fromme Volk sich beeifern wird, in großer Menge in unsere Kirchen zu eilen, wo von den Geistlichen und Laien voll heiliger Freude Lobgesänge erschallen. An diesem heiligen Tage sollen aus dem Herzen der Gläubigen, aus ihrem Mund und von ihren Lippen Freudenhymnen ertönen. An diesem denkwürdigen Tage soll der Glaube triumphieren, die Hoffnung sich erheben, die Barmherzigkeit glänzen, die Frömmigkeit frohlocken, unsere Tempel von Freudengesängen widerhallen und die reinen Seelen vor Freude erzittern. Mögen an diesem Tage der Andacht alle Getreuen mit Herzensfreude in unsere Kirchen eilen, mit unbegrenztem Gehorsam sich da ihrer Pflichten entledigen, und so auf eine würdige Weise dieses große Fest begehen. Möge es Gott gefallen, sie zu einem so heiligen Eifer zu entflammen, dass sie durch Ausübung ihrer Frömmigkeit bei demjenigen, welcher sie wieder erkauft hat, am Verdienste zunehmen. Möge dieser Gott, der sich ihnen zur Speise gibt, auch ihr Lohn in der anderen Welt sein.
Daher tun wir Euch kund und ermahnen Euch im Namen des Herrn und durch diese apostolische Anordnung, wir befehlen Euch kraft des heiligen Gehorsams und schärfen euch ein, alle Jahre am fünften oben benannten Wochentag ein so herrliches Fest in allen Kirchen und Orten Eures Bistums feiern zu lassen. Weiter befehlen wir Euch, Eure Untergebenen durch Euch und andere zu ermahnen, sich Sonntags vorher durch eine vollkommene und aufrichtige Beichte, durch Almosen, Gebete und andere gute Werke, welche an diesem Tage des allerheiligsten Sakramentes Gott wohlgefällig sind, sich so vorzubereiten, dass sie dasselbe mit Ehrfurcht genießen, und dadurch eine neue Vermehrung der Gnade erlangen können.
Und da wir die Gläubigen auch durch geistliche Gaben zur Feier und Verehrung dieses Festes aneifern wollen, bewilligen wir jeglichem, der wahrhaftig reumütig beichtend an diesem Tage dem Frühgottesdienst, oder der Messe oder der Vesper beiwohnt, hundert Tage Ablass; jeglichem, der der Prim, Terz, Sext, Non und Komplet beiwohnt, vierzig Tage für jede dieser Stunden.
Überdies erlassen wir allen, welche während der Oktav dem Frühgottesdienst, der Vesper und Messe beiwohnen, gestützt auf die barmherzige Allmacht Gottes und im Vertrauen auf die Autorität der heiligen Apostel Petrus und Paulus, jedesmal hundert Tage an den Bußen, welche ihnen auferlegt sind.
entnommen aus: Ott, Georg, Eucharisticum, Regensburg 1869, S. 207-209 (leicht angepasst an moderne Sprache und Rechtschreibung)